Vor mehr als einem Jahrzehnt brachte Baldur's Gate das totgesagte Rollenspiel Genre zu einem nie dagewesenen Höhepunkt. Kurz darauf folgten mit Planescape: Torment und Icewind Dale weitere Rollenspiel-Hits von den Black Isle Studios. Heute möchten genau diese Entwickler, mit ihrer Nachfolgefirma Obsidian Entertainment, eben diese Aspekte wieder aufgreifen: Das Dungeon Crawling von Icewind Dale, gepaart mit der Dialogtiefe von Planescape: Torment und den unvergesslichen Begleitern und der epischen Erkundung der Baldur's Gate Reihe.
Für Pillars of Eternity haben sich die Kalifornier die Unterstzützung von 74.000 Kickstarter-Backern gesichert, die im September 2012 4.000.000 US Dollar zur Verwirklichung zusammengetragen haben. Mit diesem Budget hat Feargus Urquharts Team ein Spiel konzipiert, welches optisch bereits Icewind Dale zum Verwechseln ähnlich sieht. Statt wie zuvor auf die Dungeons & Dragons Lizenz angewiesen zu sein, setzt Pillars of Eternity jedoch auf ein von Obisidian Entertainment selbst entwickeltes Regelwerk in einer neuen Welt.
Auf Eora gibt es neben den typischen Fantasy-Völkern der Elfen, Menschen und Zwerge ebenfalls die Koboldhaften Orlaner, die riesigen, buntgestreiften Aumaua und die brennenden oder wie Mondlicht leuchtenden Gottgleichen. Als solche könnt ihr euch einen Hauptcharakter erstellen und bis zu fünf Gefolgsleute im Spielverlauf in eure Gruppe aufnehmen. Zur Verfügung stehen dafür zwölf verschiedene Klassen, von denen einige ebenfalls parallelen zur D&D Welt haben. Jedoch sind diese sehr gut durchdacht und was das Fähigkeiten-Spektrum und die Funktionsweise angeht, sehr abwechslungsreich aufgebaut. Verschiedene Tank-Klassen wie Barbaren, Krieger oder Mönche, die durch ihre Wildheit, viel Rüstung oder ein Wunden-System auftrumpfen, unterstützt werden sie von Schadensklassen wie den typischen heimtückischen Schurken, Druiden, die sowohl Flächenzauber wirken, als auch in Tiere transformieren können und Waldläufern, welche zusammen mit ihrem tierischen Begleiter gleichzeitig aus Distanz und im Nahkampf angreifen. Das Magie-Spektrum wird von zwei göttlichen Klassen wie Priestern und Paladinen sowie den alteingesessenen Zauberern abgedeckt. Zudem haben sie die Kalifornier das sogenannte Medium einfallen lassen. Eine klasse, die durch Nahkampfangriffe mit seiner Seelenpeitsche Energie gewinnt, um Mächte zu wirken, die den Verstand des Opfers beeinflussen. Und ebenso den Kantor, eine Bardenähnliche Klasse, die grundsätzlich die Gruppe mit Gesängen stärkt und nach einer bestimmten Anzahl von Strophen daraus Kreaturen beschwören kann (siehe Charaktersystem für weitere Informationen).
Mit diesen Klassen tretet ihr, wie damals in den Infinity-Engine-Games, in einem Echtzeit-Kampfsystem gegen sämtliche Feinde an. Falls es zu hektisch wird, kann Pillars of Eternity jedoch nicht nur wie anno dazumal pausiert, sondern ebenfalls verlangsamt werden, um währenddessen taktisch wichtige Befehle zu erteilen. Ähnlich wie bei den ganzen Pen and Paper Rollenspielen werden Treffer in Kampfhandlungen über einen Würfel (hundertseitig) entschieden. Das System dahinter ist zwar umfangreich, aber dennoch leicht zu verstehen, da es zum Angriff nur einen Wert (Genauigkeit) gibt und die gegen vier unterschiedliche Verteidigungsarten ausgewürfelt werden muss. Selbstverständlich müsst ihr das nicht unbedingt verstehen, denn diese Berechnungen laufen automatisch im Hintergrund ab.
Spielerisch wird der Pen & Paper Ursprung von Pillars of Eternity vor allem durch die Interaktionen deutlich, wo sich das Spiel etwas vom Baldur's Gate Vorbild abhebt und eher an altertümliche Text-Adventures aus den Anfängen der Computergeschichte erinnert. Gelangt ihr zu einem Objekt, mit dem ihr interagieren könnt, blendet das Spiel das isometrische Geschehen aus und stellt stattdessen einen Textbildschirm mit Zeichnungen dar. Je nach Gegenständen und Fertigkeiten eurer Charaktere könnt ihr in den Bildschirmen euer weiteres Vorgehen über Optionen wählen. So kann z.B. bei der Untersuchung einer Statue, der Barbar mit viel Athletik und Macht die Statue wegschieben und einen verborgenen Eingang freilegen. Oder an einer eingestürzten Brücke kann der Haken aus dem Inventar auf die andere Seite geworfen werden, um hinüber hangeln zu können. Eben diese Aspekte lassen Pillars of Eternity noch mehr wie ein echtes Rollenspiel erscheinen.
Ähnliche Wege beschreitet das Spiel in Bezug auf die Dialoge. Abgesehen von der epischen Geschichte selbst, hat im Pillars of Eternity Regelwerk jedes Attribut der Charaktere nicht nur eine Relevanz für den Kampf, sondern auch immer eine zusätzliche Option für Unterhaltungen. Hohe Intelligenz führt direkt zu Lösungen von dargebotenen Problemen, Wahrnehmung lässt euch Lügen erkennen, Macht den Gegenüber einschüchtern usw. Alles in allem hat Obsidian Entertainment eine Menge Überlegungen und Erfahrungen im Umgang mit Rollenspielumsetzungen in das Regelwerk fließen lassen. Das Spiel weißt alle Rollenspielaspekte auf, die Rollenspieler in ihrem letzten Projekt, South Park - Der Stab der Wahrheit, so schmerzlich vermisst haben. Dazu zählen selbstverständlich ebenfalls das mittlerweile obligatorische Herstellungssystem für Ausrüstung, Tränke usw. und eine Weiterentwicklung der typischen BioWare Heimatbasis des Spielers. Die Festung ist in Pillars of Eternity zwar nicht Klassenspezifisch wie in Baldur's Gate 2, aber kann dafür um diverse Gebäude mit unterschiedlichen Funktionen ausgebaut werden. Wie sich das letztlich entwickelt, werden wir im ersten Quartal 2015 erleben, wohin Obsidian das Spiel leider verschieben musste, nachdem sie das Charaktersystem noch einmal komplett überholt haben.