Adventure Creation Guide

Teil 9: Erschaffung von unvergesslichen Charakteren

Neulich wurde ich gefragt, ob es eventuell etwas Freizeit in diesen Tagen gäbe, die von organisatorischen Belangen der tyrianischen Kirche gefüllt sind, um unser Gespräch weiterzuführen. Jemand fragte, ob es vielleicht mögliche wäre, etwas Zeit zwischen dem Heute und dem anstehenden Festlichkeiten des Niewinter-Jahrmarktes geben würde. Aufgeregt stimmte ich zu, dass ich das Verlangen hatte, meine Lektionen fortzuführen - da es eine Menge Punkte gibt, die noch unangebrochen geblieben sind. Von all diesen Punkten gibt es einen, der unserer unverzüglichen Betrachtung bedarf.

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In unserem Theater überlegten wir uns, wie die Produktion organisiert und vorbereitet werden könnte. Wir haben unsere Zeit damit verbracht, die Geschichte zu besprechen und formen, die auf der Bühne aufgeführt werden sollte. Wir haben die Säulen errichtet, die Sets gesichert und die Ausleuchtung präzise bestimmt. Wir waren sogar gründlich genug, Vermutungen anzustellen, wie wir unsere zukünftigen Ausführungen verbessern könnten - aber ein Punkt, der unsere Darsteller zum wahren Leben führen sollte, blieb bisher unangetastet. Lasst uns daher unserer Geschichte diesen letzten Schliff geben.

Bei einer Aufführung findet sich das Publikum plötzlich in einer Situation wieder, wo sie keinen der Charaktere, die auf der Bühne stehen, kennen. Nacheinander plaudern die Charaktere miteinander, neue Charaktere verlassen die Bühne zur Linken und betreten sie wieder von der Rechten. Jeder dieser Charaktere hat eine eigene Persönlichkeit, einen Beweggrund, und reagiert individuell auf jeden anderen. Wie kann jemand vom Publikum erwarten, dass es durch dieses Tollhaus durchsteigt?

Warum? Selbstverständlich geht das mit Leichtigkeit! Wie alle unsere vorangegangenen Lektionen beginnt auch diese mit einer Vereinfachung.

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Als ersten Vorschlag des Tages würde ich euch anraten, regelmäßige Treffen und längere Gespräche zwischen wichtigen Charakteren und dem Spieler einzubauen. Diese Technik erlaubt es dem Spieler, leichter in der Geschichte Fuß zu fassen, jemand, mit dem sich der Spieler verbunden fühlen kann und der ihm bereitwillig zur Seite steht. Dieser Halt gibt dem Spieler Sicherheit, um sich zu entfalten, langsam der Welt anzupassen und sie zu seiner eigenen zu machen. Selbstverständlich muss ein Nicht-Spieler-Charakter sowohl interessant als auch für die Geschichte relevant sein, damit dieses richtig funktionieren kann. Ein Charakter, der Informationen zu einer Aufgabe hat, oder der Besitzer eines Geschäftes, das der Spieler regelmäßig besucht, wären Beispiele für einen guten Ankerpunkt eines Spielers. Ein Charakter, der keinem bestimmten Zweck dient, mag zwar interessant sein, aber der Spieler wird sich nicht die Zeit nehmen, das herauszufinden.

Natürlich sollte sich dieser Charakter weiterentwickeln, um für den Spieler interessant zu bleiben. Ein Charakter, der den Spieler vor einem Komplott warnt, sollte ebenfalls zur Stelle sein. Um dem Spieler beim Verstehen der Geschichte zur Seite zu stehen und seine Wertschätzung oder Bedenken gegenüber den Handlungen bei der Aufdeckung des Planes auszudrücken - bevor er Licht in die neusten Wendungen bringt.

Ein zweiter Vorschlag wäre vorsichtig mit der Anzahl der vorzustellenden Charaktere umzugehen. Nehmen wir unser vorangegangenes Beispiel. Stellt euch vor, dass unser Informationslieferant nicht ein einzelner Charakter, sondern 4 oder 5 gewesen wären. Stellt euch ferner vor, dass jeder dieser Charaktere in einer entlegenen Ecke der Stadt leben würde und die gleichen Informationen hätte. Die Chance, dass der Spieler sich die Zeit nimmt, mit diesen Charaktere vertraut zu werden, ist hoffnungslos gering. Wie dem auch sei, wenn jeder der Charaktere einzigartige Informationen für die anderen inne halten würde, hätte der Spieler einen Grund, sich mit allen zu treffen. Werden die Charaktere in kleinen Mengen vorgestellt und ihnen genug Zeit gegeben, um hervorzutreten, bevor die nächste Reihe eingebracht wird, so gibt es für den Spieler mehr Gründe, sich mit der Geschichte und den Charakteren dahinter verbunden zu fühlen.

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Allgemein solltet ihr euch merken, je mehr Charaktere ihr habt, desto mehr verflüchtigt sich die Aufmerksamkeit der Spieler. Statt die Geschichte über 4 oder 5 Charaktere zu verteilen, solltet ihr euch lieber überlegen, ob es nicht möglich und glaubwürdig ist, dass die Geschichte von 1 oder 2 Charakteren getragen wird. Je konzentrierter eure Charaktere sind, desto mehr Tiefe haben sie und umso mehr Gründe gibt es für den Spieler, sie zu treffen und zu würdigen.

Als unseren dritten und finalen Kniff dieses Tages möchte ich den sparsamen Gebrauch von Nebendarstellern anraten. Damit unsere Bühne mit Leben gefüllt ist, benötigt sie das Gefühl großer Tiefe und Menschlichkeit. Aber damit das Publikum diese Welt genießen kann, bedarf es nur der Illusion einer Realität. Manche Charaktere werden benötigt, um die Geschichte voranzutreiben, bedürfen aber nicht der gleichen Tiefe. Das ist eure Nebenbesetzung und ihr wollt das Publikum doch nicht damit verwirren, dass sie das Scheinwerferlicht auf sich ziehen, während eure Hauptcharaktere im Dunkeln wandeln. Sicherlich werden diese Charaktere oft als flach angesehen und eure Spieler werden sie für gewöhnlich nicht für sonderlich sympathisch halten, aber wenn sie gut in Szene gesetzt sind, können sie genau die richtige Mixtur der Geschichte herbeiführen. Überlegt euch die Möglichkeiten einer Geschichte, die von einem arroganten Ritter, einem gut gelaunten Barkeeper, einer verängstigten Prinzessin oder einem mysteriösem Zauberer, der sich in der hintersten Ecke einer Taverne nahe des Kamins zurücklehnt, ausgehen könnten.

Wenn ihr über diese drei Vorschläge nachdenkt, betrachtet sie ruhig als nebensächliche aber berechtigte Punkte, bevor ihr euren Entschluss für diesen Tag trefft.

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Beim Entwurf von Charakteren legen mache Schreiber zu viel Betonung darauf, sie im Kampf übernatürlich erscheinen zu lassen. Vielleicht wollen sie einen Bösewicht erschaffen, der für den Helden ein herausfordernderes Hindernis darstellt. Oder vielleicht wünschen sie einen Charakter zu schaffen, der über dem liegt, was der Charakter erreichen kann, um eine passende Hackordnung herbeizuführen. Aber für jene, die eine unterhaltsame Geschichte erzählen wollen, muss die Stärke eines Charakters mit Intrigen vermischt sein. Sollte sich herausstellen, dass er Stärke und Fehler besitzt, so erscheint er menschlicher und es wird für den Spieler einfacher, sich mit ihm verbunden zu fühlen.

Leute besitzen einen Bewegrund. Überlegt euch, wie sie in die gesamte Geschichte passen, wenn ihr sie erschafft. Je leichter es ist, dieses zu erklären, desto wahrscheinlicher habt ihr einen Charakter erschaffen, der in die Geschichte hinein passt. Und je leichter ein Charakter in die Geschichte passt, um so mehr erwacht diese zum Leben - gebt dem Spieler ein Zeichen, wer seine Verbündete und Feinde sind.

Seid vorsichtig, dabei die Entwicklung eines Charakters zu übereilen. Wenn ihr dem Spieler einen Charakter zu einem zu frühen Zeitpunkt (bevor der Spieler eine Verbindung zu diesem aufbaut) aufdrängt, werden alle zukünftigen Bemühungen vergebens sein. Wie besorgt ist jemand über den Tod eines Charakter, den er grade erst kennengelernt hat? Wie dem auch sei, wenn ihr es schafft, die Geschichte eines Charakters über die Wendungen der gesamten Spielgeschichte zu verteilen, werden eure Spieler wahrscheinlich Gefallen an einer Welt finden, die um sie herum während des Spielens wächst.

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Auf der anderen Seite solltet ihr den Spieler nicht drängen, jemanden zu mögen. Je offensichtlicher es ist, dass der Spieler einen bestimmten Charakter mögen soll, desto mehr neigt der Spieler dazu, den Charakter nicht zu mögen. Erlaubt es der Geschichte, sich selbst zu entwickeln, entweder kommen die Spieler ohne die Charaktere zurecht, oder sie arbeiten zusammen, weil sie es müssen.

Wieder einmal ging dieses Gespräch, wie die anderen, zu schnell vorbei. Aber fürchtet nicht, wir werden uns in einem Monat wiedertreffen, um dieses Thema fortzuführen - denn es gibt noch viel zu besprechen, für uns, sowie für unsere Charaktere! Als solches wird sich unser nächstes Gespräch darauf konzentrieren, Komplexität einer Konversation einzufangen. Was uns wiederum einen Schritt näher an die Welt heran bringt, die unsere eigene nachahmt.

Ich freue mich schon auf unser nächstes Treffen.
Fenthick Moss,
Abt von Tyr,
der Stadt Niewinter

Erstellt von Pandur | am 17.07.2007