Rollespiele 2014: Blackguards

Ihre entsetzen Augen blicken in deine Richtung. Doch ihr Lebenswille ist längst erloschen. Der pechschwarze Wolf gräbt sich durch ihre Bauchhöhle und reißt ein Organ nach dem anderen raus. Du legst zu einem gezielten Schuss an und lässt los. Der Pfeil erlegt den Wolf problemlos. Aber da nähert sich bereits das nächste Problem. Fackelschein und Gebrüll dringt durch den Wald aus Richtung Neetha. Was in den letzten Stunden passiert ist, werden sie dir nie glauben. Dir bleibt nur eins, die Flucht.

In Blackguards schlüpft der Spieler in die Rolle eines Verbrechers, der gerade im Gefängnis gefoltert wird. Ohne eine Erinnerung an die Geschehnisse des letzten Tages bleibt ihm nichts übrig als auszubrechen und sich dabei mit weiteren Gefangenen zusammen zu tun. Jeder von ihnen ist selbstverständlich vollkommen unschuldig. Zusammen versuchen sie im wilden Süden Aventuriens zu überleben und der Ursache einer neuen Krankheit, die Menschen Willenlos macht, auf den Grund zu gehen. Wie es bei Halunken zu erwarten ist, gibt es dabei Verrat innerhalb der eigenen Gruppe und mehr als einmal versucht ein Mitglied ein anderes an Sklavenhändler zu verkaufen.

Eine etwas ungewöhnliche Geschichte für ein ebenso ungewöhnliches Rollenspiel. Daedalic Entertainment haben, auf Grundlage des "Das Schwarze Auge" Regelwerks, ein Rollenspiel entwickelt, bei dem sich der Spieler von Standbildschirm zu Standbildschirm bewegt. Städte mit ihren Händlern, Passanten, Lehrmeistern und Tavernen werden stets als wunderschön designtes Bild eines Marktplatzes o.ä. mit klickbaren Elementen dargestellt, die ein Handelsfenster oder ein Textfenster mit einer Konversation öffnen. Die eigene Spielfigur bekommt der Spieler nur in den rundenbasierenden Kämpfen zu Gesicht. Ähnlich wie Shadowrun Returns oder Wasteland 2 verwendet das Spiel dafür die Unity 3D Engine, welche im Falle von Blackguards zwar einen Schwenk von der schrägen isometrischen Ansicht in eine Draufsicht erlaubt, das Kampfgeschehen darüber hinaus aber nicht drehbar macht. Der merkwürdige Stil von Blackguards macht es aber nicht gleich zu einem schlechten Spiel. Viele Aspekte des Regelwerks sind sehr gut umgesetzt, die Zauber und die Grafik generell sind ansprechend gestaltet und sämtliche Unterhaltungen werden mit Sprachausgabe unterlegt.

Während die Spielzeit der Hauptgeschichte und über 30 Nebenquests mit 50 - 100 Stunden sehr großzügig ausfällt, haben die Entwickler Abstriche bei der Freiheit der Charakterentwicklung und Gruppengestaltung gemacht. Die Archetypen des DSA4 Regelwerks wie Garetischer Forscher, Thorwalsche Piratin oder Tulamidischer Gaukler stehen nicht zur Verfügung. Stattdessen gibt es nur drei Klassen (Jäger, Krieger oder Zauberer) zur Auswahl. Für die beiden Geschlechter sind jeweils fünf vorgefertigte Modelle mit festgelegten Portraits wählbar, die keinerlei Personalisierung zulassen. Im Expertenmodus sind zwar Kombinationen der Klasseneigenschaften möglich und die vorgeschlagenen Grundwerte, Fertigkeiten und Talente können durch einen Punktevorrat selbst definiert werden, aber da endet die Freiheit. Ebenso verhält es sich mit den weiteren Charakteren der Spielergruppe. Im Spielverlauf zwingt die Geschichte Charaktere in die Gruppe, entfernt sie ohne Vorwarnung wieder oder streicht ihnen geschichtsbedingt Fähigkeiten (Magie bei einem Zauberer).

Im Gegenzug erhält jeder spielbare Charakter für Kämpfe die gleichen Abenteuerpunkte und kann damit im Spielverlauf gemäß dem "Das Schwarze Auge" Regelwerk durch Grundwerte (Mut, Intuition, Charisma usw.), Waffentalente, Talente (Körperbeherrschung, Sinnesschärfe, Gassenwissen, usw.), Zauber und Sonderfertigkeiten (Aurapanzer, Kampfreflexe, Rüstungsgewöhnung, usw.) verbessert werden. Fans des Regelwerks werden an den Möglichkeiten zweifellos ihre Freude haben. Andere könnten an den unzähligen Kampfregeln eher anecken. Zwar übernimmt die Berechnung die Gameengine, aber ständig Sinnesschärfeprüfungen zu machen, um nicht in eine Falle zu laufen, oder bei zu wenig Körperbeherrschung in einer Wasserlache auszurutschen könnte für den ein oder anderen frustrierend sein. Das gilt auch für Zufallstreffer, die ein Feind in der letzten Runde des Kampfes landet und somit einen Charakter für immer tötet. Was besonders nervig ist, da innerhalb von Kämpfen nicht gespeichert werden kann und der halbstündige Kampf dann komplett von Vorne gespielt werden muss. An der ein oder anderen Stelle des Spiels wird diese Frust durch unfaires Leveldesign weiter gesteigert. Schlimmstes Beispiel dafür ist die Mengbilla Arena, in welcher der Spieler sich mit seiner fünfköpfigen Truppe durch einen ein-Feld-breiten-Gang quetschen muss, während auf der anderen Seite jede zweite Runde drei neue Asseln entstehen. Ein Kampf der kaum zu gewinnen ist, da man in den meisten Fällen nicht über Charaktere hinweg angreifen kann.

Dafür haben Daedalic Entertainment jedoch sehr viel Abwechslung in die rund 190 Kampfszenarien gebracht. Die Kämpfe reichen von einfachen Befreiungs- und Begleitmissionen über halte x-Runden durch bis hin zu fliehe vor einem tödlichem Nebel und töte dabei schnell genug alle Feinde. Innerhalb dieser reicht die Feindpalette von kleinen Gruftasseln, über diverse Untote bis hin zu Flugechsen und sogar einem Drachen. Die diversen Umgebungsobjekte (Kisten, Büsche, Bienennester, Kronleuchter, etc.) können nicht nur benutzt und zerstört, sondern auch in Brand gesetzt werden, wodurch sie wiederum hindurchlaufenden Charakteren Schaden zufügen. Dabei wirken die gesamten Waffenarten unterschiedlich auf die Elemente. Fallen aus Spinnenweben können z.B. mit Stichwaffen wie Pfeilen oder Dolchen genau so wenig zerstört werden, wie sich ein Skelett aufspießen lässt.

Die Waffenauswahl fällt im Vergleich zu anderen Rollenspielen jedoch Verhältnismäßig gering aus. Zwar gibt es elf verschiedene Waffenarten (Schwerter, Fechtwaffen, Speere usw.) aber innerhalb dieser gibt es nur jeweils knapp zehn verschiedene Waffen (siehe Waffenlisten) wovon die wenigsten einen magischen Bonus besitzen. Selbstverständlich sind magische Waffen kein Allerweltsgegenstand. Aber die wenigen guten Waffen, die sich nur durch Quests beschaffen lassen, reichen gerade mal für einen Charakter mit dem Waffentyp aus. Gibt man mehreren Charakteren die gleiche Waffenart, müssen diese das gesamte Spiel über mit Standardwaffen auskommen. Was die drei wählbaren Waffenslots pro Charakter etwas überflüssig erscheinen lassen.

Blackguards wirbt damit "Multiple Storyenden" zu besitzen. Was zweifellos stimmt und den Spieler für gewöhnlich dazu verleiten das Spiel mehrfach auf anderen Wegen durchzuspielen. Im Falle von Blackguards sind die Auswirkungen der Entscheidungen jedoch derart undurchschaubar gestaltet, dass man auch bei einem weiteren Anlauf genau das gleiche Ende präsentiert bekommt. Besonders unbefriedigend sind in diesem Bezug die 13. Prüfungen am Ende des Spiels. Deren jeweils zwei Ausgänge keinerlei Relevanz zu haben scheinen. Alles in allem ist Blackguards ein gutes Rollenspiel, bei dem am Ende jedoch der Etat für das Feintuning ausgegangen zu sein scheint.

Erstellt von Pandur | am 17.02.2014