Rollespiele 2015: DEX

Cyberpunk Rollenspiele fanden bislang meist in einer isometrischen 3D-Perspektive statt und boten darin rundenbasierende Kämpfe. DEX wandelt diesbezüglich auf ganz anderen Pfaden. Ein seitlich scrollendes Jump'n'Run, in dem ihr euch actionreich durch Gangterritorien sowie Konzernkomplexe schießt und prügelt. Unterbrochen nur von Settingtypischen Abstechern in die Matrix, bei denen ICE und andere Hindernisse in alter Shoot'em'up Tradition beseitigt werden müssen.

DEX setzt nicht auf bekannte Regelwerke, sondern folgt eigenen Ideen. Dabei wirkt es zu Anfang jedoch stark wie Keanu Reeves SciFi Film Johnny Mnemonic. Sowohl was die Idee angeht, als auch die recht billige Optik. DEX, so der Name der braunhaarigen Heldin, hat das Backup einer der zwei gefährlichsten KIs des Planeten in ihrem Kopf und ist deswegen zu Spielbeginn direkt auf der Flucht vor Sicherheitstrupps. Nachdem ihr die Verfolger abgeschüttelt habt und die Luft wieder rein ist, könnt ihr in der Stadt kleinere Jobs annehmen euch so langsam mit Waffen und Cyberware ausstatten.

Die Aufträge reichen vom Aufspüren verschwundener Personen, die lediglich kurze Unterhaltungen und das Knacken von Schlössern erfordern, bis zu Schutz und Extraktion-Runs für große Megakonzerne. Bis auf wenige Ausflüge auf eine Jacht im Hafen, einen abgelegenen Konzernkomplex oder eine Orbitalstation findet das Geschehen dabei ausschließlich in den Bezirken von Harbor Prime statt. Die von Slums und Industriegebiet, über chinesische Einkaufsviertel, bis hin zu Luxuswohnungen der Konzernexecs reichen.

Diese durchquert DEX primär laufend (seitlich scrollend) und nimmt stets den Weg bergauf. Durch Sprünge nach unten, könnt ihr manuell auf den unteren Pfad ausweichen oder an Leitern hoch und runter klettern. Jeder Stadtbezirk grenzt an den nächsten, wodurch ihr tatsächlich nach und nach durch die ganze Stadt rennen könnt. Optional könnt ihr über die Stadtkarte jedoch jederzeit zu einem bestimmten Stadtteil abkürzen. Dabei enthält jeder Bezirk ungefähr vier begehbare Gebäude mit Händlern, Wohnungen oder anderen Etablissements.

Die meisten Händler bieten die fünf Schusswaffen (Knock-17/Automatik, Magnum/Revolver, Shotgun, Heisen-7/UZI und Elektroschockpistole) inklusive Munition sowie verschiedene Aufputschmittel zur Wiederherstellung von Gesundheit (Energy Drinks, diverse Pillen und Verbandskasten) zum Kauf an. Doch dafür muss zunächst Geld verdient werden und das heißt wiederum, ihr müsst die ersten Streetpunks mit Schlägen und Tritten zu Boden schicken, was in typischer Beat'em'up-Manier geschieht. Während sich feindliche Hiebe im Nahkampf blocken lassen, ist das beim Schusshagel selbstverständlich nicht möglich. In dem Fall hilft nur Deckung suchen. Zwar gibt es dafür Objekte auf jeder Karte, aber ohne Schusswaffe, könnt ihr selbst aus der Deckung nicht angreifen. Was die ersten Gefechte gegen bewaffnete Gangmitglieder recht schwierig gestaltet. Aber auch wenn ihr später verschiedene Waffen habt, überrascht das Spiel durchaus mit herausfordernden Situationen. Denn beim Durchqueren von Türen, zu einer neuen Karte, werdet ihr dort gerne mal direkt von mehreren Wachen beschossen, oder ein Feind kommt euch derart nah, dass DEX automatisch ihre Waffe einsteckt und zum Nahkampf übergeht, was teilweise ein wenig frustrierend wird.

Etwas entschärft wird das durch DEXs Charakterstufenaufstiege. Mit jeder neuen Stufe erhaltet ihr ein oder zwei Fertigkeitenpunkte, die in mehrfach steigerbare Ausdauer, Nah- oder Fernkampfkenntnisse sowie Hacking investiert werden können. Zudem gibt es zwei Stufen für Charisma, Schlösserknacken, Verhandlungsgeschick, etc. Während euch Schusswaffenkenntnisse auch auf größeren Entfernungen besser treffen lassen, hat der Ausbau des Hackings deutlich spürbarere Folgen. Denn beim Hacken steuert ihr eure Persona wie ein kleines Raumschiff durch ein elektronisches Labyrinth, in dem ihr von ICE in verschiedensten Formen angegriffen werdet. Manche verschießen Würmer, die ihrerseits wieder schießen, andere sind rotierende Kreissägen mit eigener Gravitation und wieder andere explodieren in einem Hagel aus abprallenden Geschosssalven. Da im Cyberspace nahezu alles zerstörbar ist, helfen die Upgrades in Form von Doppel oder Vierfachschuss ungemein. Abgesehen von diesen automatischen Upgrades, bringen DEX die Aufträge des Harbor Prime Straßendoktors Slots für Cyberware ein. Dadurch können parallel ähnliche Effekte wie durch die Fertigkeiten erlangt werden, aber auch Immunitäten gegen Giftgas oder Elektroschocks, wodurch ihr wiederum in die verseuchte Kanalisation der Stadt oder ähnliches vordringen könnt.

Zwar lässt sich der ein oder andere Kampf umgehen, indem ihr durch Lüftungsschächte klettert, oder euch anders an Gegner vorbei schleicht, aber generell läuft es in DEX schon immer auf eine Konfrontation hinaus. Selbiges gilt für die Quests. Vereinzelt bieten sie einen zweiten Lösungsweg, doch generell ist das Spiel eher linear konzipiert und von den Kämpfen abgesehen, gibt es keinen spürbaren Schwierigkeitsgrad. Bei jeder Quest kann man sich direkt denken, mit wem man zur Lösung reden muss. Das einzige Problem besteht vielleicht darin, den Aufenthaltsort des Quest-NSCs wiederzufinden. Denn die gut zehn Bezirke verschwimmen durch die Aneinanderreihung zu einem großen, nicht sehr übersichtlichem Batzen.

Das größte Manko von DEX ist vermutlich das Savegame-System. Statt an einem beliebigen Punkt abspeichern zu können, arbeitet DEX mit Checkpoints. Wann immer ihr ein neues Gebiet betretet, legt das Spiel automatisch einen neuen Checkpoint Spielstand an. Versterbt ihr oder beendet das Spiel, startet ihr von dort erneut. Was teilweise frustrierend ist, wenn ihr z.B. die gesamte Sicherheitsmannschaft der feindlichen Jacht ausgeschaltet, dann den Hack eures Lebens gegen den Sicherheitscomputer geschafft habt und anschließend nicht zeitnah den richtigen Ausweg findet, um der Selbstzerstörung zu entkommen. Da ist schnell mal eine halbe Stunde oder mehr ins Land gegangen, ohne eine Möglichkeit zum Speichern zu haben. Ãœber die fünf Checkpoints hinaus, werden zusätzlich Spielstände für den Anfang jedes Kapitels angelegt. Bedauerlicherweise sind die ersten beiden Kapitel zusammen eine halbe Stunde lang und das letzte ist ähnlich kurz, während das dritte Kapitel 80% des Spiels ausmacht und das Savegame-System somit recht unpraktikabel ausfällt. Davon abgesehen bietet DEX durchaus für einen Tag Spielspaß, denn nach ca. acht Stunden ist das Spiel durch. Falls ihr also auf altertümliche Plattformer á la Castlevania abfahrt, oder Cyberpunk mal auf eine ganz andere Weise erleben wollt und dabei über das ein oder andere kleine Manko hinwegseht, könnt ihr die knapp 20 Eure investieren. Macht die Grafik hingegen einen zu altertümlichen Eindruck auf euch, oder könnt ihr mit dem Spielprinzip nichts anfangen, dann lasst die Finger davon. DEX ist tatsächlich so spartanisch, wie es auf den ersten Blick wirkt.

Erstellt von Pandur | am 09.05.2015

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