Rollespiele 2014: Mordors Schatten

Es sei euch verziehen, wenn ihr nicht total aufgeregt über das Erscheinen von Mittelerde: Mordors Schatten seid. Trotz der unzähligen Bezüge zu Tolkiens Herr der Ringe Romanen haben die bisherigen Videospiele selten Mittelerde wirklich zum Leben erweckt. Monolith Productions (F.E.A.R., No One Lives Forever, etc.) bedient sich für Mordors Schatten jedoch schlichtweg an funktionierenden Elementen aus Assassins Creed, Batman - Arkham Asylum sowie FarCry und platziert sie in Tolkiens Welt, was ein interessantes Gesamtprodukt ergibt.

Mittelerde: Mordors Schatten beginnt da, wo die meisten Herr der Ringe Geschichten enden. Der Waldläufer Talion wird am Schwarzen Tor in Mordor mit seiner ganzen Familie bei einer Belagerung durch Saurons Armee hingerichtet. Kurz darauf holt ihn jedoch ein Geist ins Leben zurück und verleiht ihm Kräfte, als würde er einen Ring der Macht tragen. Von diesem Punkt an ist der Geist, Celebrimbor, ein Teil von Talion und gemeinsam nehmen sie Rache für ihrer beider Ableben. Für den Anfang bedeutet es, dass sich Talion mit Schleichangriffen und im offenen Kampf durch die Ränge der unteren Urukschichten kämpfen darf. Talion kann sich dabei, nach bester Assassins Creed Manier, Gebäuden erklimmen und Uruks mit dem Dolch abstechen, oder im rhythmischen Kampfstil von Batman Schlagkombinationen aufbauen und Spezialangriffe ausüben. Mit steigender Macht kommen Fähigkeiten hinzu, die es ihm erlauben von oben auf seine Feinde herab zu springen und umgebene in die Flucht zu schlagen, Raubkatzen zu reiten, Grogfässer zu vergiften oder sich an den Zielort seines abgeschossenen Pfeils zu teleportieren.

Das grundlegende Spielprinzip funktioniert genau wie im typischen Ubi-Soft Produkt. In einem Open-World-Gebiet werden statt Funkmasten in Watchdogs, alte Ruinen von Schmiedetürmen erneuert und geben dadurch eine Übersicht über Aufträge und Artefakte in diesem Untergebiet. Neben den Quests der Haupthandlung gibt es dabei Rettungsaufträge für Sklaven und individuelle Aufgaben für jede der drei Waffen Talions. In diesen müssen Uruks auf bestimmte Arten ausgelöscht werden, um so die Legende des Geistes mit dem Dolch oder der unschlagbaren Kampfmaschine mit dem leuchtenden Schwert zu spinnen.

Parallel dazu baut sich Saurons Armee auf. Fünf Häuptlinge mit Leibwächtern und Handlangern in Form von Hauptmännern sowie unzähligen Fußsoldaten kämpfen untereinander und machen Jagd auf den Waldläufer. Durch Verhöre von normalen Uruk-Soldaten gelangt Talion an deren Identität und durch einsammeln von bestimmten Informationen oder Verhören von Hauptmännern kommt er an die zufällig zusammengewürfelte Stärken und Schwächen Liste. Dieses Nemesis-System macht das Spiel nicht nur bei jedem Durchspielen zu einer individuellen Herausforderungen, sondern auch über das aktuell laufenden Spiel hinweg. Denn Talion schnätzelt sich schätzungsweise zwei Mal durch die gesamte Armee Saurons und parallel ermorden die Grünhäute sich gegenseitig. Dabei kann das Nemesis-System schon mal für den ein oder anderen emotionalen Ausraster beim Spieler führen. Besonders wenn Uruk-Hauptmänner am Anfang schon Fährtenleser oder Schnüffler Fähigkeiten besitzen und dem Waldläufer dadurch ständig auf den Fersen sind oder unangemeldet in Angriffe auf andere Hauptmänner reinplatzen. Oder wenn ein Häuptling im späteren Spielverlauf durch die Kampfmeister-Fähigkeit unverwundbar im Nahkampf ist und nur noch durch Explosionen Schaden nimmt. Das kann schon mal mit einem Wurf der Maus in die Zimmerecke enden.

Glücklicherweise lassen sich derartige Probleme jedoch immer mit der richtigen Strategie und Charakterfähigkeit lösen. 39 neue Fähigkeiten kann Talion im Spielverlauf hinzubekommen, sofern alle Aufträge erfüllt werden. Diese bauen vorhandene Angriffe aus und geben ihm vollkommen neue. So können Feinde zunächst nur "aufgezehrt" werden, später sorgt die gleiche Technik hingegen dafür, dass die Uruks für Talion kämpfen oder bei allen gleichzeitig die Köpfe explodieren. Oder Talion lernt auf einem Caragor (Raubkatze) zu reiten und steigert sich im Spielverlauf auf einen Grauk (Rancor). Neben Erfahrungspunkten für den Erwerb der Fähigkeiten selbst, die durch Aufstieg des Charakters zu Stande kommen, erfordern die einzelnen Fähigkeitenstufen (Tiers) zusätzlich Macht. Diese Macht sammelt Talion indem er "mächtige" Hauptmänner einfach umbringt, oder sich in deren Streitereien einmischt. Denn die Hauptmänner von Saurons Armee versuchen durch Mutproben, Duelle oder Festmahle selbst an Macht zu gewinnen und wenn Talion darin einmischt und für das Misslingen sorgt, erhält er stattdessen die Machtpunkte. Obendrein bringen die optionalen Quests Mirian ein. Eine Währung über welche Talions Gesundheit und Waffen aufgewertet werden können. Was u.a. für mehr Runenplätze in den Waffen sorgt. Eine Rune hinterlässt wiederum jeder getötete Uruk-Hauptmann und deren Effekte variieren je nach Stärke des ermordeten. Auf diese Weise gelangt Talion an zusätzliche Effekte wie, volle Gesundheit beim Töten eines Hauptmanns, Immunität gegen Gift oder andere Dinge, die ihn überlebensfähiger in großen Schlachten machen.

Trotz der Vielzahl an unterschiedlichen Angriffen, Trefferkombos mit Speziealangriffen und fließendem Übergang zwischen gehen, schleichen und Kombinationen daraus bleibt die Steuerung sehr einfach und auf wenige Buttons konzentriert. Auf dem PC wird Mordors Schatten standardmäßig mit Tastatur und Maus gespielt, was das Zielen mit dem Bogen einfacher macht als auf den Konsolen. Ansonsten ist Steuerungsmäßig kaum ein Unterschied zu spüren. Auch optisch gleichen sich die verschiedenen Versionen sehr, was hauptsächlich zum Leitwesen der NextGen Konsolen gegenüber ihrer Vorgänger ausgeht, jedoch nicht bedeutet soll, dass Mordors Schatten schlecht aussieht. Generell sind Bewegungsanimationen fließend gemacht wie die Übergänge zu Zwischensequenzen und sehen ganz nebenbei den Assassins Creed Animationen zum Verwechseln ähnlich. Insgesamt fällt das Grafikspektrum jedoch etwas gering aus. So ist Mordors Schatten in zwei Open-World-Gebiete aufgeteilt, von denen das erste einer mittelalterlichen Baustelle gleicht. Viel Matsch und Geröll, das sich über mehr als zehn Stunden Spielzeit streckt, bis es dann für den Rest des Spiels in das grasgrüne Nurnmeer Gebiet geht. Obwohl das deutlich ansprechender wirkt, sind es eben nur zwei verschiedene Grafiksets. Für den finalen Showdown darf Talion dann mit dem Schiff zu einem dritten Gebiet übersetzen, was jedoch wieder Landschaftsstil eins ist.

Bei diesen Abenteuern erzählt Mordors Schatten unterschiedliche Geschichten mehrere Charaktere. Zu diesen gehört direkt zu Spielbeginn auch bereits Gollum, der Talions Geist mit den Ringen der Macht in Verbindung bringt und ihm langsam dessen Erinnerungen zurückbringt. Möglich sind diese Bezüge zu den Büchern/Filmen, dadurch das Mordors Schatten zeitlich zwischen den Geschehnissen des Hobbits und der Herr der Ringe Romane stattfindet. Wodurch auch Sauron seinen Auftritt im Spiel findet, jedoch selbstverständlich nicht getötet werden kann.

Aber das stört das Gesamtpaket nicht. Mittelerde: Mordors Schatten ist nicht nur das bislang beste Herr der Ringe Spiel, es sticht auch aus den Open-World-Action-Spielen heraus und setzt dem von Batman eingeführten Spielprinzip noch mal das i-Tüpfelchen auf. Es vermischt ein exzellentes Kampfsystem mit guten Belohnungen in Form von Charakterfortschritt und Zwischensequenzen. Am Ende des Spiels entstand wirklich das Gefühl, ein individuelles persönliches Mittelerde Abenteuer erlebt zu haben. Der Kick, sich durch gesamte Saurons Armee zu kämpfen, hält zwar nicht lange an, aber die Erinnerungen an die zufällig erschaffenen Oberbösewichte schon.

Erstellt von Pandur | am 13.10.2014

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