Adventure Creation Guide

Teil 10: Charakteren eine Persönlichkeit einhauchen

Bei unserer letzten Zusammenkunft vor einem Monat haben wir festgestellt, dass trotz unserer ausführlichen Planung immer noch viel unausgesprochen geblieben ist - auf mehr als eine Art. Unser Stück wurde durch Leute und ihre Worte belebt.

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Um das richtigzustellen, unser erster Ansatz bestand darin, die Bühne mit Schauspielern zu bevölkern, die es unseren Zuschauern ermöglichten, indirekt daran teilzuhaben. Wir gestalteten unsere Charaktere, sodass sie in die Geschichte integriert wurden und mit den anderen Schauspielern agierten. Wir formten sie so, dass sie interessant und realistisch wirkten. Und wir stylten sie so, dass sie dem Publikum in Erinnerung blieben. Letztlich fanden wir unsere Bühne geschmückt mit vielen Nuancen des Lebens.

Nun denn, unser zweiter Schritt besteht darin, dieses Geschehen auszudehnen und unseren Charakteren eine Stimme zu vermitteln, die sie noch mitreißender macht - eine Stimme, die ihrer Rolle entspricht.

Denkt über folgendes nach: Ein Reiter überbringt euch einen Brief, aber er weiß nicht, von wem der Brief ursprünglich stammt. Welche Informationen bräuchtet ihr, um den Absender herauszufinden? Ich wage mal zu wetten, dass ihr sehr wenige Informationen bräuchtet, wenn er von einem engen Freund oder Verwandten stammen würde. Selbst ohne einen Verweis auf eine bestimmte Person oder Ort wäret ihr in der Lage, die Identität durch die Art des Schreibstils festzustellen. Viele Leute, selbst die, welche zusammen aufgewachsen sind und sehr ähnlich sprechen, haben eine bestimmte Art, die unterschiedlich genug ist, um sie durch bloße Worte zu erkennen.

Lasst uns zum Beginn über die vielen Wege nachdenken, auf denen sich Leute preisgeben.

Typischerweise verraten verbale Dinge sehr viel über die Persönlichkeit des Sprechers. Jene, die einen Gefallen mit Respekt und Förmlichkeit erfragen, bekommen meist eine andere Antwort, als jene, die unverschämt schroff vorgehen - abhängig davon, wer angefleht wird. Wie würde ein einfacher Bauer auf eine adelige Zeremonie reagieren? Umgekehrt, wie würde ein Priester auf stumpfe Forderungen reagieren? Es gibt für alle Formen einen bestimmten Wortschatz benutzt. Während viele den Vorteil einer gesellschaftlichen Bildung verfügen, gibt es um so mehr, die sich nicht so glücklich schätzen können.

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Manche Charaktere, denen es an der oben erwähnten Bildung mangelt, vertrauen auf Wiederholungen ihrer Worte, um ihre Punkte deutlich zu machen. Andere vertrauen auf allgemeine Redewendungen. Vergesst nicht die Charaktere, die clever sind, denen es jedoch an der entsprechenden Schulbildung fehlt. Diese Charaktere vertrauen meistens ebenfalls auf die familiäre Ausdrucksweise, sind in ihren Gedanken jedoch nicht darauf beschränkt.

Gelegentlich verändern Leute ihre Sprachgewohnheiten für bestimmte Situationen. Ein Sprecher könnte von sich selbst in der dritten Person oder im Plural als "wir" reden. Andere Charaktere sprechen mit einem so starken Akzent, dass ihr euch nicht anders behelfen könnt, als Akzentausdrücke in den Text mit einzubringen. Eigenarten wie diese können, wenn sie selten benutzt werden, zu einem noch interessanteren Charakter führen. Jedoch läuft der Charakter Gefahr, als Verrückter zu gelten. Besonders dann, wenn der Akzent dazu führt, dass der Dialog nur noch sehr langsam gelesen und verstanden werden kann; achtet sorgfältig auf den Gebrauch.

Wie sieht es mit der Geschwindigkeit aus? Manche Redner, auf die ihr treffen mögt, rennen quasi durch den Text oder nuscheln, während andere nach jedem schwer verständlichen Satz innehalten. Werden die Kommentare eines Redners als Frage formuliert? Sind sie kurz und knapp und kommen direkt zum Punkt, oder ausführlich, langgezogen und beantworten sie Fragen, die gar nicht gestellt wurden?

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Noch interessanter (wenn sie nicht in das Gespräch verwickelt sind) sind jene, die ihre Gedanken offen und ohne Rechtfertigung zur Sprache bringen. Ein Soldat verkündete neulich offen, dass ihn die Führung von Niewinters Regierung verärgern würde und der Vorschlag, eine Frau in einen Posten zu erheben, der eigentlich für Männer gedacht ist, Niewinters Untergang wäre - obwohl er wusste, dass ich Fürstin Aribeth in Kürze heiraten würde. Kommentare wie dieser rufen ganz sicher irgendeine Reaktion hervor. Ihr mögt in euren eigenen Gesprächen Verwendung dafür finden, damit ihr die Neigung eines bestimmten Charakters beschreiben könnt. Vergesst nicht, dass einige tatsächlich dem zustimmen - und den Redner noch mehr schätzen, je verwegener seine Reden sind.

Charaktere wissen nicht immer alles und sagen Sachen aufgrund ihrer mangelhaften Vorstellungen. Wenn ein Charakter eine Rede mit einer Aussage beginnt, von der der Spieler weiß, dass sie nicht stimmt, werden alle folgenden Informationen in Zweifel gehüllt. Ein kreativer Geschichtenerzähler mag viele Wege finden, daraus einen Vorteil zu ziehen.

Es ist allgemein bekannt, dass viele Charaktere eher ihre eigenen Motive verfolgen, als dass sie an denen des Spielers interessiert sind. Daher kann die Frage nach einem Ereignis in der Geschichte des Spielers zu einer Abwehrhaltung seitens des anderen Charakters führen, oder diesen dazu veranlassen, die Frage einfach nur kurz und knapp zu beantworten und anschließend auf ein für ihn anregenderes Thema umzuschwenken. Nicht alle Charaktere müssen jede Frage detailliert oder überhaupt beantworten können - besonders, wenn sie das Thema gar nicht interessiert.

Charaktere sollten nicht nur ihre eigenen Interessen haben, sondern auch über eigene Launen verfügen. Manche mögen mit großer Hingabe zu einem bestimmten Thema erwachen. Andere haben vielleicht eine so große Abwehrhaltung gegenüber dem Thema, jedem gegenüber, der das Thema anspricht, und werden herablassend. Dann gibt es wiederum jene, die ihre Antwort genau berechnen - sich Zeit nehmen, über jedes Wort nachdenken, ruhig sprechen, das Niveau ihrer Stimme variieren und einfach nie etwas ohne genaue Überlegung von sich geben.

Gespräche sind oft mit unerwarteten Wendungen, Fragen und Antworten gefüllt. Die Dinge verlaufen nicht immer so, wie man es erwartet hätte. Erlaubt euren Charakteren hin und wieder von den Fragen des Spielers überrascht zu sein, oder lasst sie eine Antwort zu einem bestimmten Thema einfach nicht kennen. Gestattet es ihnen, im Gesprächsverlauf gelegentlich mal frustriert oder erschüttert zu reagieren, wenn es die Geschichte erlaubt. All diese Hilfsmittel dienen dazu, unsere Illusionen zu festigen. Da sie jedoch dazu beitragen, den Eindruck des Spielers von einem Charakter zu verbessern oder verschlechtern, ist Vorsicht bei der Verwendung dieser Strategien geboten.

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Als zweiten Punkt, den wir in Betracht ziehen sollten, möchte ich darauf hinweisen, dass wir nicht nur den Dialog für die Charaktere, sondern auch den für die Spieler, schreiben müssen. Da manche Spieler so verwöhnt sind, dass man ihnen Worte in den Mund legt, muss mit Sorgfalt darauf Acht gegeben werden, dass alle Punkte abgedeckt werden, die der Spieler könnte sagen wollen.

Stellt euch einen Charakter vor, der dem Spieler von einem mystischen Brunnen erzählt, welcher als Portal zu einem mysteriösen Land dient. Ihr würdet vielleicht nur eine Frage über das mysteriöse Land einbauen, während viele Spieler wahrscheinlich auch nach dem Brunnen selbst, seinem Standort, oder woher der Charakter darüber Bescheid weiß, fragen würden.

Es dürfte sich ebenfalls auszahlen, die Worte des Spieler einfach zu halten. Je komplexer sie werden, desto weniger decken sie sich mit den Vorstellungen des Spielers. Das soll aber auch nicht heißen, dass die Sätze dumm sein sollten. Ihr könntet dem Spieler die Wahl zwischen einer ehrlichen, unverschämten und schmeichelnden Antwort geben und so die Persönlichkeit des Spieler durchkommen lassen. Ihr könntet außerdem begriffsstutzige Dialoge, für jene die... weniger talentiert sind, einbauen. Wenn die Charaktere auf die Haltung des Spielers reagieren, erscheint die Welt lebhafter, besonders wenn Spieler für ihr Verhalten belohnt oder bestraft werden.

Für unseren dritten Punkt solltet ihr euch bewusst sein, dass manche Spieler, wenn es darum geht, Dialoge zu organisieren, auf jedes Detail achten, während andere nur die bloßen Notwendigkeiten wollen und wieder andere noch nicht mal das lesen wollen. Wieder andere fühlen sich nicht in Form und wollen mehr grundlegende Informationen über den Charakter - Wie wer sie sind, oder was sie an diesem bestimmten Ort machen. Gebt den Spielern die Wahl, sich für die Informationen zu entscheiden, die sie wollen. Wenn der Spieler die Wahl hat, verschiedene Fragen zu einem Thema zu stellen, wünscht er unter Umständen auch, sie alle zu stellen. Erlaubt es ihm, alle Fragen nacheinander zu stellen, geht mit dem Gespräch voran, oder wechselt das Thema zurück zu einer neuen Fragenreihe.

Ihr stimmt mir sicherlich zu, wenn ich sage, dass unsere Gespräche mit Fremden und Freunden ebenso sehr von unseren Sinnen wie unseren Worten gesteuert werden. Warum sollte unser Stück also anders sein? Wenn wir nach Realismus streben, sollten wir doch auch Gebrauch von unseren Sinnen machen, oder nicht?

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Wie würde sich die Reaktion eines Charakters gegenüber einer sich nähernden, anmutigen Frau im Gegensatz zu einem verschlagenen Mann - der sich mit gezückten Klingen viel zu schnell nähert - unterscheiden? Wäre eine höfliche Anrede effektiver als der Versuch eines muskulösen Kriegers, der den Charakter einschüchtern möchte, um an Informationen zu gelangen? Und was ist mit Charakteren, die große Reichtümer als Bestechung, eine scharfe Zunge oder eine gute Intuition benutzen? Wären diese Versuche nicht für Scheitern oder Erfolg, abhängig von der Neigung des Charakters, verantwortlich? Könnten Charaktere diesen Methoden gleichgültig gegenüber stehen, aber trotzdem einem Zwergenkollegen frei Informationen geben? Ja, es gibt hier wahrlich große Freiheit und daraus sollten wir unsere Vorteile ziehen.

Wenn ihr eure Dialoge organisiert, dann erlaubt ihnen, mit dem Charakter zu wachsen. Jemand könnte bemerken, wenn ein Spieler regelmäßig zu ihm kommt und sich gekränkt fühlt, wenn ihn der Spieler plötzlich nach seinem Namen fragt. Jemand könnte durch einen Einschüchterungsversuch einschnappen und nicht länger mit dem Spieler sprechen wollen. Und jemand könnte da sein, um dem Spieler mitzuteilen, dass ein anderer Spieler bereits da war - ebenso wie er ihm sagen könnte, wonach dieser Spieler gefragt hat.

Nun gut, wir haben in dieser Diskussion sicherlich sehr viel abgedeckt. Manchmal scheint die Zeit vorbeizufliegen, unmerklich, aber unaufhaltsam. Doch wahrlich, wenn wir die vielen Monate zurückblicken, können wir mit Stolz behaupten, dass wir einen langen Weg gepflastert haben.

Obwohl sich die Hochzeitspläne und Festlichkeiten häufen und mich von diesen Gesprächsrunden abziehen, lasst es uns nicht als ein Ende betrachten, sondern mehr als einen Anfang. Vielleicht haben euch meine Worte etwas bedeutet, oder vielleicht haben sie euch in einer neuen Richtung inspiriert. Ungeachtet dessen hoffe ich, dass wir uns an einem dieser warmen Niewinter-Nächte wiedertreffen und ihr mich an der einen oder anderen Diskussion teilhaben lasst!

Bis dahin erwarte ich euch bei meiner Hochzeit mit Fürstin Aribeth.
Geht nun, mit dem Segen von Tyr.
Fenthick Moss,
Abt von Tyr,
der Stadt Niewinter

Erstellt von Pandur | am 17.07.2007